Teil 1 - 7   

Begegnungen  

Teil 1 (Oktober 2014) 

Jeder kennt es, jeder von uns hat in der Stadt schon einmal Menschen getroffen die bettelnd am Wegesrand hocken. Manche mit Hunden, wieder andere sogar mit Kindern. Aus den verschiedensten Ländern kommen sie. Mal mit Lumpen bekleidet und mal mit scheinbar normaler Kleidung.
Ich gehe vorbei, in Gedanken was Menschen dazu treibt dort zu betteln. Ist es wirklich Hunger? Geldnot? Oder durch Druck von Dritten? Ich weiß es nicht.
Fünf Schritte weiter sind diese Bilder wieder aus dem Kopf. Vergessen. Man denkt nicht mehr daran.

Nun hatte ich eine Begegnung und noch Wochen später muss ich daran denken. Während einer großen Veranstaltung saß ein paar Meter weiter eine ältere Frau auf einem Rollator. Ich sah aus der Ferne das sie eine Eintrittskarte hatte. Alle sahen zu ihr herüber. Sie hatte alte, verwaschene Kleidung an. Ungepflegt. In ihrem Rollator lagen etwa 5 Küchenrollen. Sie riss ein paar Blätter ab, rieb sich die Hände und setzte sich dann auf den Rollator.

Während die Zuschauer an ihr vorbei zu ihren Plätzen gingen sah ich mir die Gäste an. Viele waren sehr schick gekleidet. Hatten farbenprächtige Kostüme an, wunderbare Schuhe und mir wurde die Breite der Gesellschaft deutlich.

Noch bevor die Veranstaltung begann hatte die Frau die erste Küchenrolle komplett abgerollt, knisterte mit der Folie. Warum tat sie dies wohl? Gedanken an Waschzwang gingen mir durch den Kopf. Sie tat mir Leid. Sie stand auf und lief ein paar Schritte. Mir kam sofort ein beißender Geruch in die Nase. Urin? Schweiß? Ich war sehr erschrocken und für einen Moment dachte ich, was macht sie hier? Sie gehört nicht hier her! Nein...das stimmt nicht. Ich sah sie an und bemerkte wie sie lächelte und sich scheinbar freute das sie hier war. Sie schien glücklich.
Bis jetzt bleibt mir ihr Bild im Kopf. Wie geht es ihr? Woher kommt sie? Hat sie eine Wohnung und wie lange mag sie wohl für das Eintrittsgeld gespart haben? Mitleid.

Heute möchte ich sagen das ich es toll fand das sie sich getraut hat, sind diese Gedanken richtig? Ich wünsche ihr alles Gute! Heute macht es mir sehr deutlich wie verschieden wir alle doch sind und jeder von uns seinen Platz in der Gesellschaft hat. Ich brauche keinen Reichtum, das ist nicht wichtig. Viel wichtiger ist Charakter, Liebe und Willensstärke und das man seine eigenen Träume leben kann.

 

Das Wiedersehen einige Monate später  

Teil 2 (Januar 2015) 

Ich saß im Auto und sah verträumt aus dem Fenster. Von weitem sah ich eine ältere Frau mit dem Rollator auf mich zu kommen. Für einen Moment dachte ich....diese Frau kenne ich. Nein das kann nicht sein. Oder doch? Zweifel. Als sie näher kam erkannt ich sie sofort.
Sie war die Frau von der Musikveranstaltung.

Ich sah ihr hinterher und erwischte mich wie ich sie beobachtete. Wieder kam Neugierde in mir auf.  

Ich stieg aus und wollte meines Weges gehen. Ich drehte mich um. Ich wollte mit ihr sprechen. Aber was sollte ich sagen? Guten Tag.............

Nein! Ich zögerte und dann ging ich doch auf sie zu. Sie lächelte mir sofort zu. Ich sagte ihr das wir uns schon einmal begegnet sind und frug sie wie ihr das Konzert gefallen hat damals. Sie war sofort begeistert und ich entdeckte ein Funkeln in ihren Augen. Sie schwärmte von diesem schönen Abend und berichtete mir von ihrer Liebe zur Musik, Kunst und Fotografie.

Sie klang so klar und gradlinig, damit hatte ich nicht gerechnet. Ich war positiv überrascht. So kann man sich täuschen und viel zu oft hat man Vorurteile gegenüber Menschen die wir gar nicht kennen.  

Sie sagte mir das sie in einem Wohnheim lebe und weg von der Strasse sei. Sie hörte kaum auf zu erzählen, schwärmte von schönen Bildern und Musik.  

Kaum Geld zum Leben, kein Eigentum, kein Zuhause. Und trotzdem!  

Sie schien so glücklich und zufrieden.

Das Wiedersehen hat mich nachdenklich gemacht.

 

Am Supermarkt      

Teil 3 (Februar 2015) 

Heute saß ein junger Mann neben den Einkaufswagen am Supermarkt auf dem Boden. Eine Decke lag unter ihm und davor ein Becher mit ein paar Centmünzen. Er hatte alte Sachen an und auf seiner Tasche lagen ein paar Zigaretten. Ablehnung kam in mir hoch. Noch bevor ich einen Bogen um ihn machen konnte sah er mich an und frug mich nach etwas Kleingeld. Ich ging wortlos an ihm vorbei und nahm mir meinen Einlaufswagen. Im Vorbeigehen sah ich weg und er wünschte mir einen schönen Tag.

Ich schämte mich das ich nichts zu ihm sagte. Aber was? Geld wollte ich ihm nicht geben. Ich war verärgert. Warum bettelte er? Was er sich wohl davon kaufen würde? Alkohol, Drogen oder doch nur ein Brot? 

Wieder waren da die Vorurteile. Hatte ich das Recht dazu?  

Im Inneren hätte ich ihm gerne meine Meinung dazu gesagt. Er solle arbeiten gehen, irgendetwas.....es ist so schwer vorzustellen wie es ist wenn man kein Geld hat, keine Wohnung. Ich behielt meine Gedanken für mich.  

Ich vergaß hierbei was ich eigendlich einkaufen wollte und schlenderte ziellos durch das Geschäft. 

Es ärgerte mich das er dort saß. Dann wieder dachte ich.....er war freundlich und wünschte mir einen schönen Tag. Welcher Fremde tat das sonst vorher schon einmal? Ich wußte es nicht.

Ich konzentrierte mich wieder auf meinen Einkauf und hatte keinen Gedanken mehr an diese Begegnung.

Als ich meinen Einkaufswagen aus dem Supermarkt kam rammte mich ein gut gekleideter Mann. Er war sehr unfreundlich, ging weiter und mir fehlten die Worte. Als ich mich umsah stand plötzlich der Bettler neben mir und frug ob ich mir wehgetan hätte. Ich lächelte ihn an und plötzlich war das Vorurteil weg. Der gut gekleidete Herr war verschwunden.  

Bis auf den kleinen Schrecken ging es mir gut. Ich gab dem Mann in den zerlumpten Kleidern mein Brot und etwas Aufschnitt aus meinem Einkaufswagen. Er freute sich so sehr und bedankte sich! Ich wünschte ihm einen schönen Tag und fuhr nach Hause. Es war ein gutes Gefühl.

Meine Gedanken waren nun bei dem rücksichtslosen, scheinbar wohlhabenden Menschen.  

So unterschiedlich sind Menschen und mir wurde klar das Kleider keine Leute machen!  

 

In der Stadt

Teil 4  (März 2015) 

Es war ein herrlicher Frühlingstag und ich wollte mir einen schönen Nachmittag in der Stadt machen. Voller Vorfreude und frei von Gedanken schlenderte ich durch die Strassen und bekam Lust auf eine Kleinigkeit zu Essen.

Kurz entschlossen kaufte ich mir beim nächsten Lokal einen Snack und setze mich auf eine Bank.

Ich beobachtete die Menschen die an mir vorbei gingen, so unterschiedlich waren sie. Mal kleine Leute, mal große, mal junge oder alte. Manche liefen voller Hektik durch die Fußgängerzone, das Handy am Ohr, Zigarette im Mund.  

Ich sah nach vorn und entdecke einen Bettler der an einer Mauer saß und scheinbar schlief. Er war in Decken gehüllt, vor ihm eine Mütze am Boden. Ich erinnerte mich an all die anderen Begegnungen.  

Warum berührte es mich jetzt so und plötzlich war es mir unangenehm das ich etwas zu Essen in der Hand hatte. Der Mann schlief weiterhin.

Ich wollte etwas tun. Geld geben? Nein, auf keine Fall! Da war wieder dieses Vorurteil wie schon so oft. Ich dachte an Drogen und Alkohol.

Ich sah mich um und entdeckte eine selbstbedienungs Bäckerei. Ein gutes Gefühl kam in mir und kurz entschlossen ging ich hinein und kaufte für 1,99€ ein großes belegtes Baguette. Spontan erzählte ich dem Kassierer von meiner kleinen Aktion und frug ihn ob ich für den Mann, den man von der Kasse aus sehen konnte, draußen einen Kaffee mitnehmen dürfte, umsonst.

Mein Gegenüber stotterte. Was wollen Sie? Frug er!  Ich bat noch einmal darum und ich bekam die klare Antwort nein!  

Kurz überlegte ich ob ich weitere 2 € geben sollte. Dann aber sah ich das gegenüber dieser SB Bäckerei eine weitere Bäckerei war. Ich war enttäuscht von dieser Reaktion und war nicht bereit dieser Bäckerei weitere 2 € zu bezahlen.

Mit der Brötchentüte ging ich nun über die Strasse und kam mit einem gespendeten Kaffee aus dem 2. Laden wieder heraus.  

Zielstrebig lief ich zu dem schlafenden Mann. Angst hatte ich keine. Warum auch. Gedanken ob er wirklich schlief oder ob er krank ist gingen mir durch den Kopf. Ich berührte ihn an der Schulter und sagte: Hallo ich habe etwas für Sie.  

Ich sah in strahlende und glückliche Augen. Ich habe noch nie jemanden gesehen der sich so über etwas zu Essen freute.

Wir lächelten uns an und ich ging weg. Einige Passanten haben mich dabei beobachtet und lächelten mir auch zu.  

Ich sagte nur: So geht es!   

 

Der Sinn des Lebens 

Teil 5 (Juli 2015)

So schnell vergeht die Zeit. Ich habe das Gefühl das jedes Lebensjahr schneller und schneller vergeht. In der Kindheit zählt man Monate, Wochen und Tage bis endlich Schulferien sind. Wann ist man endlich 18? Die Zeit kriecht nur so dahin.  

Der Werdegang eines Jeden sieht vor das man nach dem Abschluss der Schule eine Ausbildung beginnt. Eltern äußern hier das man etwas Anständiges lernen sollte. Hier bleibt die Definition was etwas Anständiges ist offen. Oft gehen hier die Meinungen der Generationen auseinander.  

In jungen Jahren fühlt man sich beformundet von Eltern. Man glaubt alles zu Wissen, fühlt sich im Recht. Lebenserfahrung? Das braucht man nicht. Voller Energie und Träume geht man in die Welt.  

Viele Jahre vergehen und nach langer Zeit blickt man zurück. Viele Höhen und Tiefen hat man erlebt. Die Jahre vergehen schneller. Da ist sie....die Lebenserfahrung! Ein gutes Gefühl.  

Geschichte und Erinnerungen füllen das Leben.  

Die eigenen Kinder sind inzwischen aus dem Haus und man fragt sich, war das alles? Ist es das gewesen? Viele Ziele hat man erreicht.  

Was kommt jetzt? Neue Wege öffnen sich und man wird nachdenklich. Was ist eigendlich der Sinn des Lebens? Sehr schnell wurde mir klar das es nicht der Reichtum an Geld, Macht oder Egoismus ist.

Es ist die Zufriedenheit. Das man Träume hat. Glücklich sein. Gesund sein. Sich an den kleinen Dingen des Lebens feuen. Mal etwas verrücktes tun.  

So manches hätte man im Nachhinein gerne anders gemacht. Aber genau das ist es doch. Da ist sie wieder, die Lebenserfahrung!  

Heute kann ich sagen das ich den Sinn des Lebens verstanden und gefunden habe.  

Es sind meine Kinder! Mein Ehemann und vorallem auch ich selbst.  

Den Sinn des Lebens finde ich in schöner Musik die ich mir laut einschalte und einfach mitsinge, ganz gleich ob es schief ist oder nicht, mich auf eine Blumenwiese lege und die Wolken beobachte, Zeit mit meinen Mann und den Kindern verbringe, mir ganz eigene Wünsche erfülle, für andere Menschen da bin und ganz besonders ist für mich der Sinn des Lebens das ich eines Tages meine Enkel aufwachsen sehe.  

Der Sinn des Lebens ist die Lebenserfahrung! 

 

Herzenssache

Teil 6 (April 2016)


Wochenlang hatte ich mir vorgenommen bei schönem Wetter nach Aachen in die Altstadt zu fahren um zu fotografieren. Die schönen alten Häuser hatten es mir angetan.
Oft genug geht man achtlos an schönen Dingen vorbei, nimmt die Details nicht wahr. Heute war der richtige Tag dafür und ich freute mich sehr darauf.
Vom Himmel schienen sieben Sonnen und es war sogar warm. Die Altstadt war sehr voll und in den Cafe`s und Restaurants saßen viele Menschen in der herrlichen Sonne. Es hatte mir so gefehlt, schwerelos einfach durch die Stadt zu ziehen, die herrliche Frühlingsluft zu genießen.
Mein erstes Ziel waren die wunderschönen Magnolienbäume am Dom. Ich hätte kaum ein oder zwei Tage später kommen dürfen. Sie waren schon fast verblüht.
Auf dem Weg dorthin durch die Gassen hörte ich schöne Strassenmusik. Eine Geigerin und ein Gitarrist spielten fröhliche Lieder. Ich blieb stehen und sah einen Obdachlosen Mann vor den Musikern sitzen. Er klatschte und summte mit! Es war so schön anzusehen, er lachte und hatte große Freude an der Musik.
Viele Passanten gingen achtlos an den Musikern und dem Mann vorbei. Ich blieb einen Moment stehen.
Der Mann hatte keinen "Bettelhut" vor sich stehen und machte auch keinen Eindruck das er um Geld fragen wollte. Er war in diesem Moment in seiner Welt und genoss diesen Moment. Die Musiker hatten eine Schale zum Geld sammeln vor sich und freuten sich selbst sehr daran wieviel Freude der Mann hatte.
Sponatan nahm ich meine Geldbörse und gab dem Obdachlosen 2€. Er freute sich sehr. Plötzlich aber stand er auf und ich glaubte kaum was ich nun sah! Er warf die 2€ in die Sammelbox der Musiker und setzte sich wieder im Schneidersitz auf den Boden!
Einige Menschen sahen dies und plötzlich applaudierten sie dem Obdachlosen Mann!
Ich war sprachlos und hatte ein großes Glücksgefühl. Die Situation war einfach großartig! Diese Geste hatte mich sehr berührt und ohne zu überlegen ging ich in das nahegelegene Printengeschäft und kaufte dem Mann ein kleines Printenherz mit der Aufschrift "Viel Glück"!
Ich ging erneut zu ihm und schenkte ihm dieses Herz. Er war sehr ergriffen und versprach mir dies nichtmehr herzugeben!
Als Dankeschön durfte ich ihn fotografieren und diese Geschichte erzählen.
Ich wünsche ihm das er seinen Weg findet und so glücklich bleibt wie in diesem Moment!
Alles Gute OLIVER!
 


Becherwahl

Teil 7 (August 2016)

Achtlos gehe ich durch die Fußgängerzone....schlendere fröhlich an den Geschäften vorbei. Bunt geschmückte Schaufenster und viel Bling Bling verlocken mich zum anhalten.
Kurzerhand gehe ich hinein und kaufe mir etwas schönes.
Beim Mittagessen sehe ich wie ein junger Mann in Mülleimern nach Flaschenpfand sucht....er fand nichts. Gedanken wie lange er wohl braucht um 10€ Pfand zu sammeln? Sicher sehr lange.....
Weiter gehts in die Fußgängerzone. Herrlich...planlos ziehe ich von Geschäft zu Geschäft.
Am Wegesrand sitzt eine junge Frau mit etlichen Bechern und Aufschriften. Ich gehe vorbei...was ich da las brachte mich zum schmunzeln. Originell dachte ich und drehte wieder um! Ich kramte ein wenig Kleingeld heraus und frug die Bettlerin ob ich die Becher fotografieren dürfte. Ja klar sagte sie! Ich warf das Geld in einen der Becher und legte los. Bemerkenswert fand ich auch die jeweilige Aufteilung des Geldes in den Bechern....Betteln mag ich gar nicht....aber dies fand ich einfach toll. Bleibt noch die Frage ob sie es am Ende alles in einen Topf wirft, aber das war mir ganz egal...nun bleibt für euch noch die Frage offen in welchen Becher ich das Geld geworfen habe!